Burgauer Modified Card Sorting Test
Neues in der Burgauer Version des MCST
Der Burgauer Modified Card Sorting Test ist eine Adaptation der Nelson-Version des MCST an Bedingungen der Frührehabilitation. Er enthält neu
- eine eingeschweißte Tafel mit 4 Vorgabekategorien und Zuordnungsfächern
- eine eigene Instruktion des Vorgangs "Sortieren"
- einen im klinischen Alltag erprobten einfachen verbale Instruktionstext, der keine Vorinformation über die Kategorien gibt
- Auswertung der Fehlerarten entsprechend der Definition von Nelson
- Errechnung eines neuen "Hypothesen-Bildungs-Score"
Für den Burgauer MCST liegt eine Grobnormierung mit 56 Kontrollen (Alter 20 –80 Jahre) vor.
Anmerkungen zur "Sortieraufgabe" MCST
Der MCST gehört zu den Tests, die Aspekte von komplexen problemlösenden Prozesse abbilden. Er misst nicht in erster Linie „Kategorienbildung“, sondern die Fähigkeit, Hypothesen über die Gültigkeit möglicher Regeln zu bilden, zu prüfen oder zu verwerfen. Dazu gehört auch die Fähigkeit zum Hypothesenwechsel nach einem negativen Feedback. Ein weiterer Unteraspekt betrifft Planungsprozesse in der systematischen Auswahl und Abprüfung der möglichen Zuordnungsregeln und die Fähigkeit, eine positiv bestätigte Regel weiterzuverfolgen bis zum Ziel.
Die Merkmalsextraktion aufgrund visueller Information / Exploration ist eine Voraussetzung der Hypothesenbildung und bildet den unerlässlichen Einstieg in den Problemlöseprozeß. Dabei werden Kategorien gebildet, die Merkmale gruppieren wie z.B. verschiedene Farben, Formen, Häufigkeiten. Patienten mit schwerer Aphasie, die die Testinstruktion nicht verstehen, können trotzdem die Karten nach den 3 Kategorien sortieren, wenn die Aufgabe nur darin besteht, Haufen z.B. nach Farben oder nach Formen zu bilden (nonverbale Instruktion durch vormachen, dann dem Patienten die weiteren Karten nacheinander in die Hand zum Ablegen auf die 4 Haufen geben).
Das Problem von Patienten mit einer exekutiven Dysfunktion besteht nicht in der Merkmalsextraktion bzw. Gruppierung von Merkmalen zu Kategorien, sondern darin, mit den wahrgenommenen Kategorien den Prozeß der Hypothesenprüfung und Handlungsplanung zu organisieren. Das Bilden, Verwerfen, Ändern von Hypothesen ist Teil einer problemlösenden Handlung, deren Ziel es ist, die „gesuchte Regel zu finden“
Die zu suchende Regel enthält einen Bedingungsteil (wenn), einen Ausführungsteil (und) sowie einen Bstätigungsteil (dann). Daran schließen sich zwei mögliche Handlungskonsequenzen an, die die Planung der Handlungsschritten auf das Ziel hin verzweigen:
„Wenn die zu suchende Regel darin besteht, Farbe zu Farbe zu ordnen und ich die Karte unter eine Vorlagekarte mit gleicher Farbe lege (Aktion), dann bekomme ich als Antwort ein „Ja.“
Ein „Ja“ bedeutet, dass ich die nächste Karte ebenfalls unter eine Karte mit gleicher Farbe legen muß, um zum Ziel zu kommen, die weiteren Karten ebenso usw. bis ich höre, dass die Regel gefunden ist.
Ein „Nein“ bedeutet, dass ich die nächste Karte nicht unter eine Karte mit gleicher Farbe legen sollte sondern neu überlegen muß, welche andere Regel zutrifft. Dann muß ich so lange die Regeln ändern, bis ich ein „Ja“ zur Antwort bekomme.
Patienten mit Perseverationen der falschen Zuordnung verfolgen den ersten Teil der komplexen Regel, d.h. sie bilden eine Hypothese, aber das Feedback bleibt ohne „Wirkung“. Die Wirkung würde erfordern, den Handlungsteil vom Ziel her rückwirkend neu zu organisieren, d.h., die nächsten Schritte im Sinne geordneter Reihenfolgen auf das Ziel (finden der gesuchten Regel durch 6x die Karten richtig zuordnen) hin zu planen. Vermutlich zerfällt bei den stark perseverierenden Patienten diese exekutive Leistung. Andere Patienten können die mit „Ja“ bestätigte Regel nicht beibehalten und wechseln nach 2 und mehr richtigen Zuordnungen vor dem Erreichen des Ziels wieder die Kategorie.
Eine gängige Interpretation schlechter Leistung im MCST ist, dass die Patienten kein verbales Feedback verwerten können oder dass sie bei der Kategorienwahl ein relevantes Merkmal nicht favorisieren und die irrelevanten Merkmale nicht entsprechend hemmen können. Das erste Argument legt nahe, dass der verbale Reiz „unterwertig“ bleibt und keinen Zugang zur gerade dominierenden, starr ablaufenden Handlungssteuerung bekommt (in Richtung Theorie der „central executive“ von Baddeley). Das zweite Argument betrifft mehr die Fähigkeit, irrelevante Reize (andere Merkmale) zu hemmen und einen Aufmerksamkeitsfokus zu bilden (in Richtung Theorie des „supervisory attentional system“ von Shallice oder im Sinne einer Filtertheorie der Aufmerksamkeit)
Die von uns angebotene Interpretation geht davon aus, dass die (oft frontale) Hirnschädigung dazu führt, dass das Organisationsniveau der exekutiven Funktionen, über das Gesunde bei der Aufgabenbewältigung verfügen, beim Patienten zerfallen ist. Die Symptome „Perseveration“ oder „fehlende Hemmung“ oder „vernachlässigen des verbalen feedback“ zeigen dann an, dass der Patient Aktionen und Handlungsschritte ausführt, aber damit nicht zum Ziel kommt. Das Gehirn versucht, die exekutiven Leistungen (auf einem niedrigeren Organisationsniveau) zu reorganisieren, die (geschädigte) Organisation ist aber nicht in der Lage ist, die beteiligten Funktionen sinnvoll und zielgerichtet neu zu ordnen und zu integrieren.Diese Interpretation bietet als Arbeitshypothese auch Raum für die zahlreichen Facetten des Leistungszerfalls von Patienten beim MCST.