Burgauer Bedside-Screening
Das vorliegende „Burgauer Bedside- Screening“ für neurologischen Patienten der Phase B bis C und für geriatrische Patiejnten ist, soweit bekannt, der erste Entwurf einer standardisierten Aufgabenreihe für die Diagnostik in der frühen Phase nach traumatischen Hirnschädigung. Es wurde anlässlich des Symposiums zum 10- jährigen Bestehen des Arbeitskreises Frührehabilitation & Postprimäre Rehabilitation der Gesellschaft für Neuropsychologie (GNP) im Oktober 2003 in Bayreuth vorgestellt und ab 2004 der Fachöffentlichkeit auch praktisch zugänglich gemacht.
Wir haben bereits 1991 im Therapiezentrum Burgau über die Notwendigkeit einer „frühdiagnostischen Aufgabenreihe“ diskutiert, um die „diagnostischen Lücke“ zwischen den Verhaltensbeobachtungen und Skalen einerseits und den damals verfügbaren psychologischen Tests andererseits zu schließen. Eine Befragung vor Ort, an der 25 Kliniken mit Frührehabilitation in Deutschland teilnahmen (Robert Förg, 1992, Burgau), zeigte hinsichtlich des diagnostischen Vorgehens in den Kliniken eine große Variabilität in den Verfahrensweisen, wobei die einzelnen Testaufgaben aber weitgehend den üblichen neuropsychologischen Tests und Aufgaben entsprachen, die in Testkompendien beschrieben wurden (z.B. Lezak, 1985).
Bereits 1988 war die „Neuropsychologische Rehabilitation“ (v Cramon & Zihl,1988) erschienen und beschrieb ebenso wie die „Klinische Neuropsychologie“ (Poeck,1982) Erfahrungen mit Patienten in der „stabilen“ Phase nach einer Hirnschädigung. Erfahrungen mit Patienten in der frühen Phase der Rehabilitation konnten ausdrücklich nur am Rande erwähnt werden. Auch 5 Jahre später wurde im Vorwort der „Neuropsychologischen Diagnostik“ (v.Cramon, Mai & Ziegler, 1993) noch einmal einschränkend festgestellt: „Spezielle diagnostische Verfahren für diese frühe Phase der neurologisch- neuropsychologischen Rehabilitation werden in diesem Buch nicht behandelt“ (Seite V).
Seither ist die Reihe der speziell für die Neuropsychologie entwickelten diagnostischen Verfahren erfreulich angewachsen. Diese Tests, standardisiert und normiert, sind zwar in der Testbibliothek jeder Neuropsychologischen Abteilung vorhanden, eignen sich aber für die erste Untersuchung in der Frührehabilitation in der Regel noch nicht, weil sie angesichts der geringen Belastbarkeit des Patienten zu aufwändig sind. Um die Itemfülle zu begrenzen werden vorhandene Testmaterialien „geplündert“, d.h. einzelne Aufgaben oder Untertests herausgenommen, unter Verzicht auf die Interpretationsmöglichkeiten auf Grundlage der Normierung. Dies wird im klinischen Alltag in Kauf genommen, da angesichts der noch stark schwankenden Leistungsmöglichkeiten des Patienten in der frühen Phase Normierungen ein methodisches Problem für sich darstellen.
Der Arbeitskreis Frührehabilitation und Postprimäre Rehabilitation der Gesellschaft für Neuropsychologie (GNP) hat sich in den vergangenen Jahren dafür eingesetzt, Erfahrungen und kollegialen Austausch zu fördern und Leitlinien für das diagnostische und therapeutische Vorgehen in der Frührehabilitation zu formulieren.
Mit der Entwicklung von eigenem Material für das „Bedside- Screening“ wurde ab 2001 in Burgau (Dr.Peschke) begonnen. Dem ging seit 1997 die Entwicklung der neuropsychologischen Datenbank PSYDAT voraus, die helfen sollte, das „Berichtswesen“ auf der Grundlage standardisierter Vorgehensweisen zu vereinfachen und die Störungen und Ressourcen eines Patienten „auf einen Blick“ in einem Leistungsprofil abgestuft darzustellen. Die Erstellung orientierender Normen für ein Screening von Gedächtnisleistungen, haptischen und exekutiven Leistungen für Patienten der Phase B und C fällt ebenfalls in diese Zeit. Das Gedächtnisscreening ist Teil des vorliegenden Bedside- Screenings. Die Burgauer Versionen der exekutiven Tests „Turm von Hanoi, MCST und kleiner Planungstest“ gehen auf Entwicklungen seit 1995 zurück, Ergebnisse wurden beim GNP-Kongreß 2000 in Leipzig vorgetragen (Peschke & Kringler). Die 3 exekutiven Tests wurden erst 2006 zum Erwerb angeboten und sollen in Zukunft in den „Testkoffer“ als Bedside-Screening „Plus“ integriert werden.
Das Burgauer Bedside- Screening ist keine Testbatterie. Es erhebt nicht den Anspruch, komplett und in allen kognitiven Bereichen für jeden Patienten durchgeführt zu werden, um einen Befund zu erstellen. Es stellt eine Aufgabensammlung dar, aus welcher der Psychologe gezielt und auf den Patienten orientiert bestimmte Leistungsbereiche auswählen und prüfen kann. Die kognitiven Einzelleistungen wiederum sind dann sehr detailliert prüfbar und sollen eine Einschätzung sowohl der Störungen als auch der Ressourcen des Patienten ermöglichen. Natürlich wächst die Sicherheit für die Interpretation des Gesamtbildes eines Patienten, je mehr Einzelleistungen im Befund erfasst und beurteilt worden sind.
Dr. Volker Peschke